Familienleben zu Zeiten von Corona

Das Coronavirus bestimmt nun seit geraumer Zeit unseren Alltag. Was bedeutet es zu Zeiten von Corona eine Familie zu sein, welche Herausforderungen und Chancen sind damit verbunden?

In Anbetracht der Tatsache, dass Schulen und Kitas geschlossen sind, sind nun die Eltern nicht nur als Erziehungsberechtigte gefordert, sondern auch als tragende Säule für das Lernen und Betreuen ihrer Kinder. Dabei ist es jedoch wichtig, dass Eltern hierbei nicht den Blick für das Wesentliche verlieren. Eltern können ihre Kinder unterstützen, die Schule und den Lehrer jedoch nicht ersetzen. Es bedarf daher eines nüchternen Blickes auf die gegebene Situation und dem tatsächlichen Bedürfnis des Kindes.

Familien stehen mitunter vor der großen Problematik, dass nicht in allen Haushalten tatsächlich ein Computer oder Laptop vorhanden ist. Ist ein Computer vorhanden, so sind oftmals mehrere Geschwister darauf angewiesen und müssen dessen Nutzung teilen.

Inzwischen organisieren Eltern gegenseitig die Anfertigung von Kopien, Schulen senden Hausaufgaben zu, Lehrer stellen Lernvideos auf YouTube, rufen bei ihren Schülern an, um die sozialen Bindungen zur Schule und zur Klasse aufrecht erhalten zu können, erfolgen auch Videoschaltungen.

Bei all den Bemühungen ist den Kindern durchaus bewusst, dass sie sich eben nicht in Ferien befinden, weiterhin Hausaufgaben eingehen und der soziale persönliche Austausch weggebrochen ist. Die Eltern sind daher neben der Unterstützung zum Lernen, damit beschäftigt, dass ihre Kinder dem fortlaufenden Lerninhalt folgen können.

Machen Sie Sich als Eltern bewusst, dass es nicht wichtig ist, wieviel Ihre Kinder schaffen und leisten. Wichtig ist primär, dass Kindern weiterhin eine Tagesstruktur vermittelt wird, weil dieser den Kindern hilft, Halt zu haben.

Eine Tagesstruktur entlastet zudem auch die Eltern, da diese hierdurch ihrer Arbeit nachgehen können, Lern-und Freizeit definiert wird. Kinder sind Forscher und neugierig.

Kinder können und wollen auch in die Erarbeitung von gemeinsamen Regeln / Tagesplan einbezogen werden. Auf diesem Wege geben Sie auch dem Kind Gehör. Zeigen Sie Ihrem Kind „du bist mir wichtig und ich möchte das mit dir gemeinsam regeln.“ Das gemeinsame Erarbeiten von To-do Listen, Tagesplänen und Regeln führt zu mehr Akzeptanz.

Bieten Sie Ihren Kindern die Möglichkeit, sich tatsächlich auch selbst zu beschäftigen. Dies kann auch in Form von Knobelaufgaben, Lesen oder Malen erfolgen. Auch ist es wichtig, dass die Kinder, aber auch die Eltern, für sich persönliche Zeit definieren und sich auch jeweils zurückziehen und alleine beschäftigen können. Dies ist für die Entlastung des Einzelnen und für ein ausgewogenes Miteinander unabdingbar, zumal durch den Coronavirus die Freizeitaktivitäten und Möglichkeiten stark eingegrenzt sind.

Nicht alle Familien haben einen Garten vor der Tür oder ein Balkon. Die Bewegung an der frischen Luft ist für die Kinder von großer Bedeutung, da hierdurch der Drang nach Bewegung und die vorhandene Energie abgebaut werden kann. Kinder, die sich körperlich betätigen sind weniger gestresst und neigen auch weniger zu Übergewicht. Achten Sie auf gemeinsame Essenszeiten, da insbesondere während dem Essen der Austausch losgelöst von anderweitigen Tätigkeiten entspannter erfolgen kann. Hierbei ist auf ausgewogene Ernährung der Kinder zu achten.

Machen Sie Sich bewusst, dass die derzeitige Lage mit dem Coronavirus die Kinder enorm verunsichert und irritiert. Den Kindern wird derzeit nicht nur vermittelt, dass sie ihre Freunde und Großeltern nicht persönlich treffen dürfen, auch der Gang zum Spielplatz ist nicht mehr möglich, zudem sehen die Kinder tagtäglich Menschen mit Mundschutz.

Dies verunsichert die Kinder zu Recht.

Achten Sie bitte darauf, dass Ihre Kinder die Nachrichten sehen, die auch altersgerecht sind. In den Nachrichten für die Erwachsenenwelt wird tagtäglich von Infekten, aber auch von Todesfällen berichtet. Auch die Bilder, welche wir im Fernsehen sehen, können bei Kindern tiefsitzende Ängste auslösen. Möchten Sie den Kindern das Coronavirus kindsgerecht erklären, so ist dies mit altersgerechten Nachrichten durchaus möglich. Geben Sie dem Kind dabei Sicherheit, dass Sie Sich als Eltern informieren, zum Wohl der Familie handeln, diese Zeit auch wieder vorübergehen wird und dass alles getan wird, dass diese Situation gut gelöst wird. Überfordern Sie dabei das Kind nicht, hören Sie aktiv zu und nehmen Sie die Frage oder Antwort nicht vorweg.

Als Erwachsener haben wir ein anderes Zeitgefühl wie Kinder. Kinder nehmen Zeit anders wahr. Seien Sie geduldig, wenn Ihr Kind nicht sofort die ihm übertragenen Aufgaben erledigt. In der jetzigen Situation ist das Wichtigste, was wir den Kindern vermitteln sollten: Geduld, Geborgenheit, Sicherheit und vor allem Zuversicht.

Kinder spüren die Ängste und Sorgen der Erwachsenen. Kinder brauchen selber starke Erwachsene, um selber auch stark sein zu können. Den emotionalen Halt finden die Kinder bei ihren primären Bezugspersonen, den Eltern. Seien Sie daher zuversichtlich und vermitteln Sie Ihrem Kind eine positive Grundhaltung.

Was ist jedoch, wenn trotz aller Bemühungen dennoch Konflikte aufkommen? Wie können Eltern zu Corona – Zeiten Konflikte auffangen?

Treten Konflikte auf, atmen Sie zunächst einmal tief durch. Streit ist ein Zeichen dafür, dass die eigenen Bedürfnisse nicht erfüllt werden. Dabei ist es durchaus wichtig, die eigenen Bedürfnisse anzusprechen und auszusprechen. Machen Sie Sich bewusst, dass sich derzeit jedes einzelne Familienmitglied in einer ungewohnten Lage befindet. Suchen Sie miteinander das Gespräch. Sprechen Sie miteinander, bevor die Situation/der Konflikt eskaliert. Ist das Ärgernis klein, kann es eher eingefangen werden. Benennen Sie das, was Sie beschäftigt, tauschen Sie Sich aus, sprechen Sie miteinander darüber, wie man etwas besser machen kann.

Was tun bei Gewalt oder Verdacht auf Missbrauch?

Durch die Corona Krise ist die Zahl an häuslicher Gewalt gestiegen. Die soziale Kontrolle (Betreuungseinrichtung, Freunde, Bekannte etc) fehlt derzeit. Die Dunkelziffer an Übergriffen auf vor allem Kinder und Frauen, dürfte hoch sein.

Wenn Sie Sich Sorgen um ein Kind/ eine Familie in Ihrem Umfeld machen, seien Sie aufmerksam, schauen Sie, wenn möglich hin, sprechen Sie mit Nachbarn oder Kontaktpersonen des betreffenden Kindes.

Sollten Sie einen Verdacht haben, bewahren Sie Ruhe. Schnelles und unüberlegtes Handeln, kann dem Kind schaden, es gefährden.  Sehen Sie davon ab, die verdächtige Person auf Ihre Vermutung anzusprechen. Andernfalls kann dies dazu führen, dass dieser das Kind stark unter Druck setzt, einschüchtert oder Gewalt antut. Bedenken Sie, dass dies auch nahe Familienmitglieder des Kindes sein können.

Beratungsstellen können Sie bei Unsicherheit beraten. Oft ist auch eine anonyme Beratung möglich. Hier können Sie erfahren, was Ihre Handlungsmöglichkeiten sind.

Haben Sie den Verdacht, dass ein Kind von Gewalt/ sexuellen Übergriffen akut gefährdet ist, melden Sie sich beim örtlichen Jugendamt und/ oder der Polizei (Telefon 110).

Wenn Sie in der Nachbarschaft einen Streit mitbekommen oder Lärm hören, der nach Gewalt klingt, könnten Sie versuchen, den Streit zu unterbrechen, indem Sie z.B. an der Tür klingeln und nach etwas Salz/ Mehl oder 2 Eier bitten. Oft ist dies schon ausreichend, da so wieder ins Bewusstsein kommt, dass jemand die Situation bemerkt/ die Familie von sozialer Kontrolle nicht isoliert ist. Aber gefährden Sie Sich nicht selbst! Selbstschutz geht vor.

Kennen Sie eine Familie, in der es Probleme gibt, dann versuchen Sie mit ihnen Kontakt zu halten. Fragen Sie nach „wie geht es euch denn gerade“ und hören Sie zu. Es kann schon entlastend sein, jemanden von dem häuslichen Stress und Druck zu erzählen. Vielleicht ist die Familie aber auch offen, für Hilfs- und Beratungsangebote. Dann geben Sie diese bitte weiter.

 

Das Corona Virus stellt uns vor Herausforderungen. Gemeinsam sind WIR stark. Bleiben wir zuversichtlich, geduldig und konzentrieren wir uns auf das für uns Machbare und Umsetzbare: Es liegt in unserer Hand, wie wir diese durchaus schwierige Zeit unseren Kindern vermitteln. Ein Virus hat die Welt entschleunigt. Trotz der enormen Beschränkungen konnten und können WIR solidarisch bleiben. Wir sind füreinander da, kaufen füreinander ein, nähen Mundbedeckungen, organisieren die Kopien der Hausaufgaben füreinander, wir machen längere Spaziergänge, Telefonieren statt eine SMS zu schreiben, nehmen uns nun mehr Zeit für die Dinge, die im Alltag nebenher oder schnell erledigt werden mussten. Das Virus mag durchaus eine Herausforderung sein. Es ist aber zugleich eine gesellschaftliche Chance für mehr Achtsamkeit im Umgang miteinander.

    Nazan Simsek                     
1. Vorsitzende Augsburger Kinderschutzbund

  • Hilfsmöglichkeiten:

Kinderschutzbund Augsburg:
– Beratung zu allen Themen des Kinderschutzes, telefonisch (0821/ 455406 21 und per Email (anlaufstelle@kinderschutzbund-augsburg.de)

– Familienstützpunkt K.I.D.S. Mitte, telefonische Beratung für Fragen der Kinderbetreuung in Kitas der Stadtmitte Augsburg (0821/ 455406 27)

– Stadtteilmütter, telefonische Beratung für Fragen aus den Gruppen und ggf. für Eltern, die Übersetzungshilfe brauchen (0821/ 455406 41)

– agita – Agentur für Kindertagespflege. Alles rund um Tagesmütter und Tagesväter und Großtagespflegen in Augsburg (0821/ 455406 30, service@agita-augsburg.de)

 

  • regionale Hilfemöglichkeiten:

– zentrale Fallaufnahme, Jugendamt Augsburg, 0821/324-2811 (für akute           
Kindswohlgefährdungen in der Stadt Augsburg)

– Amt für Jugend und Familie, Landratsamt Augsburg, Tel: 0821/3102 2215

– Kreisjugendamt Aichach-Friedberg 08251/92-278

– Opferschutzbeauftragte im Polizeipräsidium Schwaben Nord. 0821/323-1311

 

  • überregionale Angebote:

– Hilfetelefon „Sexueller Missbrauch“, Telefonische (kostenfrei und anonym) Beratung, Telefonnummer: 0800 2255530 (montags, mittwochs und freitags 9 – 14 Uhr, dienstags und donnerstags 15 – 20 Uhr), www.hilfetelefon‐missbrauch.de

– Nummer gegen Kummer – Elterntelefon, 0800 1110550 (Montag-Freitag 9-11 Uhr, Dienstag + Donnerstag 17-19 Uhr), https://www.nummergegenkummer.de/

– Nummer gegen Kummer – Kinder und Jugendtelefon 116111 (Montag – Samstag 14-20 Uhr)

– Bundesweites Hilfetelefon für Gewaltopfern 16 Sprachen, 08000 116016

– Hilfe bei Familienkonflikten in der Corona-Ausgangseinschränkung, 089 997 40 90 20

– Informationen und praktische Hinweise über den Coronavirus in 15 verschiedenen Sprachen: https://corona-ethnomed.sprachwahl.info-data.info/