Streiten!

Streiten will gelernt sein!

Artikel im Familienmagazin Lieslotte vom Oktober-November 2020
von Nazan Simsek, 1.Vorsitzende des Augsburger Kinderschutzbund

 

wenn unterschiedliche Meinungen, Haltungen und Auffassungen aufeinandertreffen ist der Streit nicht fern. Gestritten wird überall, in der Politik, in der gesellschaftlichen Mitte, im Beruf, unter Freunden, in der Familie. Es wird diskutiert und gestritten.

Wenn Kinder streiten, neigen Eltern oftmals dazu einzugreifen, das Wort zu übernehmen und ein Machtwort zu sprechen. Dabei ist Streiten wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes und trägt maßgebend zu seiner Sozialisation bei. Im Streit lernen Kinder ihre Bedürfnisse zu formulieren, sich durchzusetzen und anderen Grenzen aufzuzeigen. Konflikterfahrungen machen zu dürfen, ist für das spätere Erwachsenen – Ich genauso wichtig, wie die Erfahrung, dass Harmonie, Halt und Geborgenheit vermittelt. Kinder können im Streit lernen, sich in andere hineinzuversetzen, ihr Gegenüber zu verstehen, Empathie zu empfinden. Kinder streiten sich oft über Dinge, die Erwachsene nicht mehr nachempfinden können.

Auch Kinder haben verschiedene Gründe miteinander zu streiten. So gehören zu den Motiven von Konflikten unter Kleinkindern insbesondere (Daldrop / Hohmann 2018):
Unterbrochene Handlung: Kinder reagieren auf die Störung oder Unterbrechung ihres Tuns und erkämpfen ihr Spielobjekt, um die Handlung fortzuführen.
Neugier/ Exploration: Bespielte Objekte möchten erlangt werden, um mit ihnen zu explorieren. Sie wirken eventuell durch die Bewegung durch das Kind besonders interessant.
Erweckte Bedürfnisse: Durch die Beobachtung beispielsweise eines trinkenden Kindes wird an den eigenen Durst erinnert. Das Kind möchte die Flasche entwenden und das Bedürfnis stillen.
Besitz: Kinder möchten bestimmte Objekte erlangen, sie besitzen und mit »meins« benennen.
Hierarchie: Hierbei kämpfen Kinder um einen Gegenstand, der Besitz lässt es stärker wirken und in der Rangordnung wachsen.
Kontakt- und Erregungssuche: Kinder nehmen zum Teil unkontrollierte Kontakte auf, um der Einsamkeit und Langeweile zu entkommen und Aufmerksamkeit zu erhalten.“

Kinder brauchen den Raum streiten zu dürfen. Solange der Streit nicht verbal oder körperlich übergriffig wird, sollten Eltern nicht eingreifen, sondern zunächst beobachten. Kinder sind gute Strategen, sie sind kreativ in der Lösungsfindung. Einen selbstgefundenen Lösungsweg nehmen Kinder eher an. Greifen Eltern vorschnell in den Streit von Kindern ein, nehmen sie Kindern Entwicklungsmöglichkeiten, sind doch Empathie, Kontrolle über impulsives Handeln, aber auch Moral miteinander verbunden. Wird Kindern ein Spielzeug weggenommen, um welches gestritten wird, fühlen sich die Kinder nicht verstanden. Der Streit wird dadurch nicht ausgeräumt, lediglich verlagert. Der eigentliche Inhalt des Streites nicht erfasst und keine Lösung entwickelt.

Eltern können Kinder unterstützen, indem sie den Streit ernst nehmen, zuhören, objektiv bleiben und gemeinsam mit den Kindern überlegen, wie der Streit gelöst werden kann. Eltern sind Vorbilder, auch im Streitverhalten. Kinder beobachten ihre Eltern, in ihrem Harmonieverhalten als auch in ihrer Konfliktaustragung. Streit zwischen den Eltern ist nicht per se negativ. Dabei ist es für Kinder oftmals Nebensache, worüber die Eltern streiten. Kinder interessieren sich für das Wie. Beide Elternteile sind Vorbilder und wichtige Bezugspersonen. Der Umgang der Erwachsenen untereinander berührt die Kinder. Eltern sollten daher im Streit auf das „Wie“ achten. Wird es zwischen den Eltern laut, ängstigt dies die Kinder. Zudem fühlen sich Kindern hilflos und bekommen Schuldgefühle. Kinder haben Angst davor, dass sich ihre Eltern trennen könnten. In einer Streitsituation die Kinder im Blick zu haben, ihnen vorzuleben, dass trotz gegenseitiger Wertschätzung, gestritten werden darf und man sich auch wieder versöhnen kann, vermittelt dem Kind positives Streiterlebnis in der Familie.

Wir stehen als Kinderschutzbund Augsburg Eltern und Familien beratend und unterstützend mit Projekten und Elternkursen zur Verfügung.